Die Geschichten aus anderen Kulturen und Märchen der Welt, auf die ich mich spezialisiert habe, sind erst vor nicht allzu langer Zeit niedergeschrieben worden. Sie kommen aus Kulturen, die oftmals bis vor kurzem nicht schriftbezogen gelebt haben.
Sie kommen also aus oralen Kulturen, aus Kulturen mit mündlicher Überlieferung.
In diesen Kulturen war man dem Inhalt der Geschichte treu, aber nicht den Worten – ausser bei ganz wichtigen Aussagen in der Geschichte. Ansonsten formt der Erzähler die Geschichte so, wie sie leicht und flüssig von der Zunge fliesst. Viele traditionelle Erzähler aus aller Welt, denen ich begegnen durfte, machen das so, indianische Erzähler, wie auch Erzähler in Sibirien, Afrika oder Bhutan.
Märchen der Welt neu erzählt
Meine Aufführungen sind weder Lesungen, noch lerne ich Geschichten auswendig oder rezitiere Märchen der Welt.
Improvisation ist ein wichtiges Element meiner künstlerischen Arbeit. Ich erzähle frei.
Die Geschichten meines Repertoires sind von mir oft übersetzt, immer neu geschrieben und wurden so zu meinen sprachlich eigenständigen Neuerzählungen. Stets suche ich nach weiteren Versionen der einzelnen Geschichten, vergleiche sie und erzähle neu, gestalte meine Version.
Warum sollte ich mich auf ein Märchen der Welt beschränken, die ich fertig in einem Buch finde? Gerade die künstlerische Gestaltung, das Recherchieren und Nachspüren einer Erzähl-Kultur, das Formen meiner neuen Version sind doch meine schöpferische Arbeit.
Ich würde mir einen Gutteil meiner Leidenschaft und Freude nehmen, wenn ich mir lediglich Aufführungsrechte vorgefertigter Märchen der Welt kaufe und die Texte auswendig lerne.
Verantwortlich mit Erzählerbe umgehen
Silent Owl, ein indianischer Ältester und Erzähler sagte einmal zu mir:
Jetzt kennst du die Geschichten, jetzt musst du auch für sie sorgen.
Das nehme ich sehr ernst. Verantwortung übernehmen ist das mindeste, was ich als tun kann, als Dank dafür, dass ich die Geschichten erzählen darf.
Nach meinem Verständnis heißt Verantwortung übernehmen z.B. auch, dass ich die Geschichten neu in meinen Worten erzähle. Damit hauche ich ihnen Atem ein.
Ich fühle mich zutiefst verantwortlich, so nah und wahrhaftig wie möglich, der mündlichen Überlieferung und Tradition der entsprechenden Kultur zu kommen. Stets bin ich bemüht weiter zu forschen und zu lernen, um die Geschichten original wie möglich zu erzählen. Es liegt mir fern, die Märchen der Welt zu entzaubern und ihnen ihre Magie zu nehmen. Und dabei kann und will ich meine eigenen Wurzeln nicht verleugnen.
Im Grunde kann natürlich jemand aus der entsprechenden Kultur am besten vermitteln. Nur gibt es leider selten Erzähler aus anderen Kulturen die neben ihrer Muttersprache auf Deutsch genauso gut erzählen können. Und hier ist meine Fähigkeit gefragt, Brücken des Verständnisses zu bauen.
Ständiger Kontakt mit Erzählern in vielen Ländern, möglichst Recherche vor Ort, wissenschaftliche Beratung von Völkerkundlern, Kooperation mit Musikern und Künstlern gehören zu meinem professionellen Selbstverständnis.
Mehr über die Kunst des Erzählens:
Haben sie schon entdeckt, hier auf meiner Website können Sie viele Artikel über meinen Ansatz beim Erzählen finden.
- Geschichten zum Erzählen auswählen – so gehe ich vor
- Erzähltradition in Sibirien
- Kulturvermittlung: Geschichten verbinden Menschen und Kulturen
- Grimms Märchen – erzählen Sie auch Märchen der Brüder Grimm
- Erzählkunst – Wann wird Erzählen zur Erzählkunst?
Kennen Sie schon meinen Blog Ethnostories ?
Dort schreibe ich über das Leben als Künstlerin, gebe Erzähltipps und berichte von meinen Recherchereisen.