Im Laufe der Jahre habe ich mich auf Geschichten, Märchen, Mythen aus anderen Kulturen spezialisiert. Seit 2004 bin ich mit meinen Erzählprogrammen monatlich zu Gast im staatlichen Museum für Völkerkunde ( Linden-Museum, Stuttgart ). Meine Auftritte sind mehr Kulturvermittlung als eine typische Märchenstunde.
Deshalb lautet auch mein Slogan: “Geschichten von weit her, die nahe gehen”
In meinem Repertoire finden Sie keine Märchen der Brüder Grimm. Schon als Kind haben mich Grimms Märchen nicht in gleicher Weise angezogen, wie Geschichten aus fremden Ländern. Märchen, die bürgerliche Erziehungsideale und die Moral des 18. Jahrhunderts verkünden, ziehen mich nicht an.
Erzählungen, die existenzielle, urmenschliche Fragen berühren, interessieren mich besonders. Besonders archaische, urtümliche, erdverbundene Weltgeschichten reizen mich zu erzählen.
Geschichten und Märchen der Welt
In vielen Kulturen sind Geschichten Lehrgeschichten. Sie sind eine mündlich überlieferte, lebendige Form der Kulturvermittlung. Traditionelle Erzähler bewegten sich schon immer zwischen Kunst und Bildung. Märchen und Mythen sprechen dabei in ihrer lebendigen Bildsprache, sind intuitiv verständlich und ermöglichen einen emotionalen Zugang zu einer Kultur.
Geschichten verbinden die Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft. Kulturelle Traditionen und Werte werden durch Erzählen von Generation zu Generation weiter gegeben.
So wird Wissen und Erfahrung auf unterhaltende Weise weiter vermittelt und verschwindet durch das Erzählen nicht in der Vergessenheit.
Ich glaube an die Macht von gut erzählten Geschichten … Ich glaube, dass uns Fakten, Daten, Zahlen nur bis zu einem bestimmten Punkt des Verstehens bringen und dass wir andere Menschen und andere Kulturen zum wesentlichen erst anhand von Geschichten durchdringen.
J.-P. Sendker
So schreibt J.-P. Sendker in einem seiner interessanten Büchern sehr treffend und bestätigt meine Überzeugung.
Geschichten verbinden Menschen und Kulturen.
Geschichten verbinden mich als Erzählerin mit fernen Kulturen
Während ich Geschichten sammle, lese, übersetze, umschreibe, bearbeite und recherchiere, tauche ich immer tiefer in eine kulturelle Tradition ein, mit der ich mich, durch die Bilderwelt der Geschichten, immer mehr anfreunde. Mit der Zeit wird mir ursprünglich Fremdes zu einer neuen Heimat. Mindestens für die Dauer einer Geschichte.
Soweit es einer Aussenstehenden überhaupt möglich ist, versuche ich die Geschichten mehr und mehr so zu verstehen, wie sie innerhalb ihrer Ursprungskultur verstanden werden. Dabei suche ich der Geschichte und der entsprechenden Kultur und mir selber gerecht zu werden.
Dabei bin ich mir stets bewusst, dass das bestenfalls eine Annäherung sein kann.
Während ich an einer Geschichte arbeite, recherchiere ich sehr sorgfältig. Ich suche nicht nur nach Variationen des Märchens, sondern lerne auch über die Kultur, aus der sie stammt.
Wenn irgend möglich, reise ich in das entsprechende Land und recherchiere vor Ort, beobachte Körpersprache, Kunst und Handwerk, lerne Typisches, lerne einige Worte der Sprache …
So war ich auf Recherchenreise z.B. in der Mongolei, Indien, Tatarstan, Kirgistan, auf Bali, im Himalaya, bei indianischen Erzählern in USA und bin im Austausch mit Erzählern und Erzählforschern u.a. aus Bhutan, Indien, USA, Japan, Südwestafrika, Mongolei, Bhutan, Indien, Ladakh und Sibirien.
Symboldeutung
Beim Umgang mit Geschichten vermeide ich zu analysieren und zu erklären oder Schlüsse zu ziehen.
Ich interpretiere die Geschichten nicht, sondern erzähle ganz genau, was in den Situationen passiert und überlasse die Interpretation den Zuschauern.
Die bei uns verbreiteten Deutungen von Märchensymbolen sind meist geprägt von unserer mitteleuropäischen Weltsicht. Solche Symboldeutungen können zwar anregende Gedankenanstösse geben, doch die Geschichten können nur verstanden werden, wenn man ihre Bedeutung innerhalb ihrer Kultur kennt.
Doch halte ich es nicht für richtig, mit der Messlatte unserer mitteleuropäischen Kultur an Überlieferungen anderer Kulturen heran zu gehen.
Statt die Geschichte mit der analysierenden Brille anzusehen, recherchiere ich das sinnliche Umfeld. Ich suche nach wichtigen Informationen, die im Ursprungsland alle wissen, die wir aus einer anderen Kultur aber brauchen, um etwas zu verstehen. Ich schaue mir die einzelnen Bilder ganz genau an, suche nach Informationen, recherchiere, sehe was ist.
Zum Beispiel erzähle ich eine Geschichte von der mikronesischen Insel Palau, da geht es viel um das Fischen. Und ich kann dann nicht einfach generell “fischen” sagen. Denn sonst würde jeder Zuhörer gleich Assoziationen entwickeln, wie man bei uns in Mitteleuropa fischt, also z.B. mit der Angel. Ich recherchiere also und will genau wissen, wie man auf dieser Südseeinsel traditionell fischt.
Erst dann kann ich innerlich beim Erzählen sehen, wovon ich spreche und die Geschichte stimmig spielen.
Einblick in fremde Kulturen
Mich interessiert die Möglichkeit der Kulturvermittlung durch die Erzählkunst. Live erzählt traditionelle Geschichten geben einen Einblick in eine fremde Kultur.
Dabei suche ich mit Hilfe der Geschichten die verschiedenen Kulturen in ihren Eigenheiten zu sehen und darzustellen.
Bei aller Freude über die Verbundenheit der Kulturen und das Auffinden von zutiefst Menschlichem in Mythen und Märchen, versuche ich doch die Erzählungen so zu bearbeiten, dass ihre Bilder für sich sprechen.
Ich möchte bei meiner Kulturvermittlung die Verschiedenheit der Kulturen aufzeigen, den Reichtum der Erzähltraditionen und ihrer Unterschiede. Mir geht es um die Erhaltung kultureller Eigenheiten und nicht einen Versuch machen alles gleich zu machen.
So stecken die Geschichten voller Information und man kann viel über die Kultur erfahren, aus der die Geschichten stammen. Dafür erzähle ich die Geschichten aus anderen Kulturen neu. Ich suche nach einem Weg sie so zu erzählen, dass mein Publikum einen Bezug zu den Geschichten aufbaut und sie versteht.
Meine Geschichten-Erzähl-Programme sind eine lebendige Form der Kulturvermittlung und ein Beitrag zur globalen Bildung.
Erzähltraditionen bewahren & Kulturvermittlung
Durch das Erzählen traditioneller Geschichten aus anderen Ländern und Kulturen kann ich meinen kleinen Beitrag leisten: mithelfen das Welterbe der Erzähltraditionen zu bewahren und ein Bewusstsein für die Erzählkultur der Welt schaffen. Ich selber fühle mich dabei als Teil dieser Welt.
Die Magie von gut erzählten Geschichten
Und jetzt haben meine Zuschauer das Wort:
… Du hast eine große Gabe, durch deine Gestik, Mimik und durch Deine wunder-volle Körpersprache den, der lauscht und schaut, mitzunehmen in eine fremde Welt, die am Ende gar nicht mehr so fremd erscheint … Vielen Dank für bezaubernde Charaktere und die groß-artigen Einblicke in indigene Kulturen … Du öffnest mir neue Türen damit, die Welt wahrzunehmen …
Oh ja, die Welt hat keine Wände – danke für die wundervolle Reise mit Fühlen, Lauschen, Schmecken mit dem Herzen.
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