Auswendig lernen? Nein, das ist nicht mein Ansatz in der Erzählkunst.
Statt die Worte von Geschichten auswendig zu lernen – lerne ich die Geschichten gut kennen.
Nicht den ganzen Text, nur manche Sätze, die sehr wichtig sind, merke ich mir. Ansonsten habe ich immer eine Tür für die Improvisation offen. Selbst bei Geschichten, die ich schon seit Jahren erzähle, die ausgereift sind und scheinbar gleich bleiben, selbst hier bin ich jederzeit offen für gute Ein-fälle und Improvisationen.
Anders wie zum Beispiel in der Malerei sind Geschichten sind nie fertig oder vollendet. Sie sind lebendige Kunstwerke, die weiter wachsen.
Ich erzähle sie frei. Sie entstehen immer wieder neu. Ich schleife immer weiter an den Geschichten, verbessere die Wortwahl, hier eine Pause mehr, da ein weiteres Element.
Letzlich ist es die Zeit, die ich mit den Geschichten verbringe, die ihnen Tiefe, Vielschichtigkeit und Leben gibt.
Geschichten wie Collagen
Eigentlich sind meine ganzen Geschichten wie Collagen. Immer wieder baue ich Fundstücke ein, überdecke sie oftmals mit anderen Fundstücken. Ge-Schichten entstehen.
Diese Collage ist eigentlich niemals ganz fertig, sie bleibt in steter Veränderung. Immer wieder findet sich ein kleines Stückchen, eine Begegnung zeigt mir wieder etwas Neues auf, auf einer Reise habe ich weitere Informationen bekommen oder Zuhörer reagieren an einer neuen Stelle. All das findet seinen Platz in den Geschichten – und manchmal auch im Kostüm.
Die Geschichten versuche ich immer frisch, neu und offen zu halten.
Trotzdem ich viel an der Form gearbeitet habe und die Geschichte schon gut poliert sind, zeigen sich immer wieder kleine Stellen, an denen sich noch etwas verändern kann.
Natürlich sind anfangs die Veränderungen deutlicher, grösser. Später werden sie unscheinbarer auf den ersten Blick. Aber auf einer tieferen Ebene sind sie durchaus sichtbar und erlebbar.
Frei erzählt, statt auswendig lernen
Es geht mir nicht darum eine Kollektion von Geschichten zu nehmen, sie auswendig zu lernen und zu reproduzieren.
Ich schreibe die Geschichten neu, in meiner Sprache, damit bekommt die Erzählung eine klare Struktur. Jedoch lerne ich nicht auswendig, was ich geschrieben habe, sondern erzähle die Geschichte immer frei in meinem Rhythmus. Nur so beginnen meine Erzählungen zu atmen.
So tragen die Geschichten zwar meine Handschrift, doch spielt mein Respekt vor der traditionellen ursprünglichen Form bei der Erarbeitung eine große Rolle.
Dabei will ich nichts aufzwingen, sondern das Typische heraus modellieren und die Geschichte in eine – für unsere Kultur – verständliche Form bringen. Und der Erzählung wieder Leben einhauchen.
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Sie wollen besser erzählen lernen?
In meinem Blog Ethnostories veröffentliche ich Artikel mit Informationen, praktische Tipps fürs Erzählen und meine Gedanken über die Kunst des Erzählens. Sie können dort auch Fragen stellen.
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