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Storyteller ist mein Beruf, ich bin professionelle Geschichtenerzählerin

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 8. Februar 2023


“I am a Storyteller.”

So stelle ich mich immer auf englisch vor. Ich habe in USA Storytelling studiert. Nein, ich bin nicht Werbetexterin, sondern studierte Storytelling und Theater, bin freie Bühnenerzählerin und mache Erzählkunst.

Was ist Storytelling? Erzählkunst oder Methode?

Die Begriffe Erzählen, Storytelling und Geschichtenerzählen werden mittlerweile von so verschiedenen Berufsgruppen benützt: Lehrer im Fremdsprachenunterricht, Autoren, Journalisten, Filmemacher, Blogger, Marketing Leute, Social Media Manager – alle bezeichnen sich als Storyteller und Erzähler.

Hilfe! Storyteller, meine englische Berufsbezeichnung ist missverständlich!!!

Seltsamerweise gehen dabei die freien Erzähler und Märchenerzähler fast unter. Dabei gab es doch schon Erzähler, lange vor den Büchern, Filmen oder dem Internet. Erzähler, die nichts mehr brauchten als sich selbst mit ihrer Stimme, Körpersprache, Mimik und Vorstellungskraft. Als Bühnenerzählerin bin ich sozusagen von der analogen Ecke.

Klar, ich bin nicht gerade glücklich darüber, dass meine Berufsbezeichnung Storyteller nun noch mehr Erklärung bedarf – Andererseits scheint ja das Interesse am Erzählen groß zu sein, wenn sich so viele Erzähler oder Storyteller nennen.

Beitragsfoto: Storytelling - Ich bin von Beruf Storyteller und Erzählerin

Ich interessiere mich für alle möglichen Formen des Erzählens und finde es gut, dass durch die neuen Einsatzgebiete das Geschichtenerzählen wieder aktuell und nicht mehr als Relikt der Vergangenheit angesehen wird.

Allerdings wäre es doch sehr schade, wenn sich einbürgerte, dass Storytelling = Business- und Managementmethode ist.

Und sonst nichts.

Dabei würde man andere Formen des Erzählens übergehen und vergessen, dass es eine Kunstform ist.

Erzählkunst und angewandtes Erzählen

In der internationalen Erzählergemeinschaft wird unterschieden zwischen Erzählkunst ( art of storytelling ) und angewandtem Erzählen ( applied storytelling ) – eine gute Lösung! Ich fände gut, wenn das in unserem Sprachschatz auch so differenziert werden würde, denn es verdeutlicht schon im Begriff einiges.

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Geschichten erzählen ist für mich viel mehr als nur eine Methode. Es ist Kunst.

Mich beschäftigt, wie ich eine Geschichte im lebendigen Akt des Erzählens zum Leben erwecken kann.

Erzählen, Bühnenerzählen braucht den Atem, das Herz und die Ohren der Zuschauer um sich zu entfalten. Anders als beim Lesen eines Buches, Sehen eines Filmes. Das Buch ist fertig, der Film gedreht, ein Blog geschrieben.

Beim Erzählen, der kleinsten Form des Theaters, entfalten sich die Geschichten ohne große Multimediashow im Augenblick. Sie entstehen im Jetzt, der Zuschauer ist dabei, ist sowohl Beobachter einer Schöpfung, als auch Beteiligter, der sich in der Erzählung spiegelt.

Live-Erzählen ist eine Form der Kommunikation in Echtzeit. Ganz direkt ohne Distanz, spürbar, schmeckbar.

Ich beobachte in den letzten Jahren, dass ich mehr und mehr Auftritte für Erwachsene habe. Das Zuhören und emotionale Erleben von Erzählungen scheint für sie ein Gegenpol zur digitalen Welt zu sein.

Das war besser als ein Film! Normalerweise, wenn ich fernsehe, im Kino bin oder am Computer sitze, gehen mir immer parallel mindestens 3, 4 verschiedene Dinge durch den Kopf. Aber bei ihren Geschichten war ich völlig drin, da war nix anderes, gab es keinen Gedanken parallel, nur die Geschichte, ich war wirklich da …

sagte einmal ein Mann nach der Aufführung zu mir.

Oftmals erzählen mir Zuschauer Details einer Geschichte, von denen ich genau weiss, dass ich das alles ganz anders erzählt habe.

Das zeigt, dass durch meine Erzählung die Zuschauer berührt wurden, in ihnen eigene Bilder und Emotionen entstanden waren. Sie spinnen die Geschichte einfach weiter, gehen über das hinaus, was ich erzählen, spielen oder zeigen kann.

Es freut mich, wenn ich es schaffe die Zuschauer zum Träumen zu bringen

… Kunst ist Emotion, nicht Wirkung … Wenn man etwas Berührendes gut erzählen kann, dann schafft das diese Emotion …

Roman Polanski
Beitragsfoto: Storytelling - Ich bin von Beruf Storyteller und Erzählerin

Unterschiedlich und doch verwandt

Storytelling und Erzählkunst können sich gegenseitig bereichern und von einander lernen.

In USA gibt es bereits viele Berührungspunkte, dort werden Erzählkünstler zur Anregung als Kick-off für Business-Storytelling Veranstaltungen engagiert, sind Trainer zum Erzählen lernen, Storyteller werden als Spezialisten und Künstler wahrgenommen, etc. Mancher Storyteller ist sowohl brillanter Bühnenerzähler, als auch Coach für Business Storytelling.

Im Bereich der bildenden Kunst ist es ja auch ganz selbstverständlich, dass z.B. angewandte Graphik und Freie Malerei nebeneinander existieren und sich gegenseitig befruchten. So könnte das doch auch in den verschiedenen Formen des Erzählens werden.

Ich freue mich auf solch einen Dialog!

Weiterlesen:

Storytelling und eine Geschichtenerzählerin … Jetzt können Sie das Interview, das die Präsentationsspezialistin Nicole Gugger mit mir machte, auch in meinem Blog Ethnostories lesen:
… Manchmal fürchte ich, daß dieser Hype um Storytelling wie so vieles in unserer Zeit eine Modeerscheinung ist. Erst in aller Munde und wenn dann der nächste Hype kommt, stürzen sich alle auf das nächste. Was dann übrig bleibt ist ein verbranntes Feld. Immer wenn etwas als “Methode” bezeichnet wird bin ich skeptisch …

Mehr Artikel über meinen Ansatz beim Erzählen:

Blick ins Repertoire:

Wer schreibt hier:

Uschi Erlewein spielt Geschichten von weit her, die nahe gehen.
Professionelles Tourneetheater, generationsübergreifende Programme für Kinder und Erwachsene, kulturvermittelnde Erzählkunst.

Szenisch erzählte Geschichten aus und über andere Kulturen, ungewöhnliche Märchen, Mythen entführen auf eine Hör-Reise in andere Welten.