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Geschichtenerzählerin von Beruf – Was ist eine professionelle Erzählerin

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 11. Februar 2023


“Ich bin professionelle Geschichtenerzählerin oder besser gesagt Geschichtenspielerin”, so stelle ich mich oft vor.
“Und was bedeutet das? Ist das was für Kinder? “
“Als freischaffende Künstlerin mache ich bundesweit Aufführungen mit meinen Erzählprogrammen.”
“Wie, sie werden fürs Erzählen bezahlt? Sie verdienen ihren Lebensunterhalt mit reden?”
“Ja, Geschichtenerzählerin ist mein Beruf und Erzählen meine Kunstform. Das ist viel mehr, als nur reden.”

Ich bin professionelle Erzählerin

Erzählkunst ist meine Profession und mein Beruf. Ich bin hauptberuflich professionelle Geschichtenerzählerin, auch weil ich von den Einnahmen meiner Auftritte und Erzählaufführungen lebe.

Fundierte langjährige Ausbildungen, Studium und Berufspraxis als darstellende und bildende Künstlerin, befähigen mich diesen Beruf auszuüben. Ich bin professionell ausgebildet als Erzählerin, Figurenspielerin, bildende Künstlerin und Dipl. Kunsttherapeutin. Dazu kommen zahllose Fortbildungen, z.B. Stimmbildung, Maskenspiel, Improvisation, Körpertheater, Pantomime u.v.m.

Vor allem Theateraltmeister Tony Montanaro ( USA ) war mein wichtigster Impulsgeber. Über 10 Jahre, bis zum Ende seines Lebens, war er mein Lehrer und Mentor. Ich verbrachte so viel Zeit wie möglich in USA, um von ihm zu lernen. Dabei ging es vor allem darum, meinen persönlichen Stil zu entwickeln.

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Was bedeutet professionell?

Im Lexikon finde ich folgende Erklärungen:

Laut Wiktionary:
1. von einem Fachmann ausgeführt, auf fachmännische Art
2. kommerziell, d.h. gegen Bezahlung; hierbei ist ausdrücklich keine Aussage über die Qualität gemeint

Laut Duden:
1. a) (eine Tätigkeit) als Beruf ausübend b) als Beruf betrieben
2. fachmännisch, von Fachleuten anerkannt, benutzbar

Professionell als Künstler

Unter Künstlern gibt es die ungeschriebene Regel:

Nenne dich erst professioneller Künstler, wenn deine Einkünfte überwiegend aus künstlerischer Arbeit stammen.

Das entspricht auch den Bedingungen, um in die Künstlersozialversicherung aufgenommen zu werden.

“Nach § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ist Voraussetzung für die Versicherungspflicht, dass eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausgeübt wird.”

und

“Erwerbsmäßig ist jede nachhaltige, auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen.”

Professionell heisst also, dass ein Künstler von seiner künstlerischen Arbeit lebt.

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Professionelle Geschichtenerzählerin

Für jede Künstlerin ist es essenziell, dass sie über längere Zeit, in ein Thema eintauchen kann. Um ihre Erzählkunst zu entwickeln, muss sie sich ohne Ablenkungen intensiv damit beschäftigen.

Profikünstler widmen sich in Vollzeit ihrer Kunst. Genauso wie andere Menschen jeden Tag zur Arbeit gehen, arbeitet die professionelle Geschichtenerzählerin täglich an ihrer Kunst. Als Profi punktet sie mit ihrer Erfahrung und professionellen Arbeitsweise.

Diese kontinuierliche Praxis ist wohl auch der zentrale Unterschied zwischen Hobbyerzähler und Profierzähler.

“Du bist ein professionelle Erzählerin, wenn jemand dich angemessen für deine Erzählkunst bezahlt.”

Für mich als professionelle Geschichtenerzählerin kommt zur rein künstlerischen Arbeit natürlich auch noch der Businessteil dazu. Ein Großteil meiner Zeit verbringe ich mit Akquise, Öffentlichkeitsarbeit, Verträge schreiben, Buchführung, Büroarbeiten und Vor- und Nachbereitung für Gastspiele. Als mobiles Solotheater habe ich auch oft lange Anfahrten zu den Gastspielorten.

Ja, auch Erzählkunst ist ein Business – mit allem was dazu gehört: Steuer, Renten- und Krankenversicherung, Werbung, Betriebskosten ( Website, Scheinwerfer, Bücher, Recherche-Reisen, Kostüme, Requisiten, Fortbildungen … ), Rücklagen für Auftragsflauten, usw. Und alles muss sich finanziell tragen – samt Lebensunterhalt.

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Was ist für mich professionelles Erzählen?

Ich bin professionelle Erzählerin, mit dem Anspruch gute Arbeit zu machen.

Für Veranstalter und die Aufführung bedeutet das:

  • Vor der Aufführung regle ich in einem Vertrag alles mit dem Veranstalter.
  • Für meine Arbeit verlange ich ein angemessenes Honorar, um von meiner Arbeit leben zu können.
  • Ich berate meine Auftraggeber, damit die Veranstaltung gelingt.
  • Sobald alles besprochen ist, bin ich eine verlässliche Vertragspartnerin. Das heißt z.B., dass ich nicht kurzfristig eine Veranstaltung absage.
  • Zur Aufführung komme ich gut vorbereitet.
  • Ich lasse all meine Erfahrung, Können und Energie in die Aufführung fliessen, auf dass sie gelinge.
  • Meine Aufführungen sind wie ein Theatergastspiel. Sie sind also weder Unterricht, Mitmachtheater noch Kinderbetreuung. Der Großteil meines Repertoires ist für kulturinteressiert Erwachsene und nicht nur “was für Kinder“.
  • Meine Erzählaufführungen sind wie ein Theaterstück. Ich erzähle nicht nur 1 Geschichte, sondern eine Kollektion von mehreren Geschichten, die zusammen ein Ganzes bilden.
  • Für meine Aufführungen möchte ich eine konzentrierte Theateratmosphäre, sie brauchen eine bestimmte äussere Umgebung und Anordnung im Raum. Ich spiele z.B. nicht in einem Schulraum vor der Tafel, sondern baue Bühnenhintergrund und Scheinwerfer auf.

Für mich und meine Arbeitsweise bedeutet das:

  • Ich habe einen hohen Anspruch an mich und meine Arbeit.
  • Auch fertige Erzählprogramme entwickle ich immer weiter.
  • Fortbildungen, z.B. Arbeit an der Stimme, sind mir selbstverständlich.
  • Als Geschichtenerzählerin & Solotheater bin ich Mitglied im Landesverband freier Theater.
  • Ausführliche Geschichten-Recherche, so dass ich weiss, von was ich erzähle.
  • Die meisten Geschichten, die ich spiele, schreibe ich neu, in meinen Worten.
  • Für die Geschichten, die ich von indigenen Erzählern bekommen habe, übernehme ich Verantwortung und beachte die entsprechenden traditionellen Regeln.
  • Für Geschichten hole ich mir die Erlaubnis des Urhebers und bezahle ggfs. Tantiemen.
  • Ich mache mir Gedanken über die Erzählkunst, bin offen für Feedback, beobachte meine Arbeit, reflektiere, dokumentiere, hinterfrage. Davon veröffentliche ich einiges in meinem Blog Ethnostories.

Leserstimme:

Liebe Uschi, ich finde deine Gedanken sehr spannend. Und ich denke, dass Aussagen über künstlerische Berufe oft sehr unüberlegt gemacht werden, und daraus auch oft ein wenig Neid spricht. Denn wie viele Menschen haben schon den Mut und die Ausdauer beruflich das zu machen, das sie lieben? Viele erkennen oft nicht mal was ihre Berufung sein könnte.

Ich wünsch dir viel Erfolg und Spaß beim Geschichten erzählen, und dass dir deine Ideen nie ausgehen mögen
LG, Melanie

Liebe Melanie,
das denke ich auch, dass viele Menschen einfach gar nicht wissen oder sich vorstellen können, wie der Alltag von Künstlern aussieht. Die Vorstellung vom Genie, dem alles in einer kurzen Minute zufällt, ist so verbreitet. Dass Kunst aber aus vielen, vielen kleinen Arbeitsschritten besteht, viel Übung und Erfahrung braucht, wird oft nicht gewusst. Aus dem Grunde will ich mehr informieren, hier und in meinem Blog Ethnostories über das Leben als Künstlerin erzählen.

Herzliche Grüsse, Uschi Erlewein – Die Geschichtenspielerin

Blick ins Repertoire:

Wer schreibt hier:

Uschi Erlewein spielt Geschichten von weit her, die nahe gehen.
Professionelles Tourneetheater, generationsübergreifende Programme für Kinder und Erwachsene, kulturvermittelnde Erzählkunst.

Szenisch erzählte Geschichten aus und über andere Kulturen, ungewöhnliche Märchen, Mythen entführen auf eine Hör-Reise in andere Welten.