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Freies Erzählen & Improvisation oder textgebunden & texttreu

Text © Uschi Erlewein

Aktualisiert: 17. Januar 2020


Erzählen Sie textgebunden und texttreu? ” Diese Zuschauerfrage wird mir immer wieder gestellt. Ob freies Erzählen oder textgebunden erzählen – in erster Linie versuche ich mir selber treu zu sein und meinen eigenen Weg zu gehen. Und das ist schon schwer genug!

Ich denke, ein Erzähler sollte nach dem für ihn oder sie stimmigen Erzählstil suchen und diesen Stil entwickeln.

Dabei kann textgebundenes Erzählen eine Hürde sein. Textgebunden Erzählen ist wie die Arbeit eines Schauspielers, der sich selber im vorgegebenen Text suchen und finden muss.

Textgebundenheit finde ich unter Umständen sinnvoll bei Kunstmärchen, literarischen Geschichten und Erzählungen – und natürlich bei stark rhythmischen Texten, die womöglich gesungen werden.

In Deutschland werden die ursprünglichen Volksmärchen, die die Brüder Grimm gesammelt und niedergeschrieben haben, von vielen Erzählern textgebunden erzählt – also rezitiert. Damit werden diese ursprünglichen Volkserzählungen wie Literatur, wie Kunstmärchen behandelt.

Aus Kulturen mit mündlicher Überlieferung

Die Geschichten aus fernen Kulturen der Welt, auf die ich mich spezialisiert habe, sind erst vor nicht allzu langer Zeit niedergeschrieben worden.

Sie kommen aus Kulturen, die oftmals bis vor kurzem nicht schriftbezogen gelebt haben, sie kommen also aus oralen Kulturen, aus Kulturen mit mündlicher Überlieferung. Erzählen wird dort sehr geschätzt und ist als Kunst anerkannt.

Artikelbild: Freies Erzählen oder textgebunden Erzählen - Texttreu oder Improvisation

In diesen Kulturen ist man dem Inhalt der Geschichte treu, aber nicht den Worten – ausser bei ganz wichtigen Aussagen in der Geschichte. Ansonsten formt der Erzähler die Geschichte so, wie sie ihm leicht und flüssig von der Zunge fliesst. Viele Erzähler erzählen ihre Geschichten jahrelang immer wieder und zwar auf ihre ureigene Weise.

Die meisten der traditionellen Erzähler, denen ich begegnen durfte, machen das so, indianische Erzähler, genauso wie Erzähler in Sibirien, Afrika oder Bhutan.

Erzählen ist meine Kunstform

Und ich nehme mir die künstlerische Freiheit meinen Stoff frei zu gestalten. Für mich gibt es kein Richtig oder Falsch beim Erzählen.

Die Geschichten, die ich erzähle, müssen zu meiner Persönlichkeit passen. Ich muss ihren Humor und die Atmosphäre atmen können, den Rhythmus spüren, die Bilder schmecken …

Als Erzählerin möchte ich eine Geschichte lebendig machen, sie zum Leben zu erwecken.

Und dafür nutze ich, was möglich und nötig ist:
✸ Ist es eine Geschichte mit viel Bewegung?
✸ Braucht sie ein Lied?
✸ Oder Stille und Ruhe?
✸ Ein Requisit?
✸ Will sie Rhythmus, einen Reim?

Es geht mir nicht darum eine Geschichte aus einem Buch zu nehmen, sie auswendig zu lernen und zu reproduzieren.

Ich bin immer auf der Suche nach der Essenz der Geschichte, sie wird mir zum Motiv für meine künstlerische Arbeit. 

Die Geschichten, die ich erzähle, sind meist aus mündlicher Überlieferung. Sie sind oft von mir übersetzt und künstlerisch bearbeitet, sind also meine eigenständige Neuschöpfung und Neuerzählung.

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Textgebunden Erzählen – Freies Erzählen

Ich vergleiche diese verschiedenen Herangehensweisen des Erzählens immer mit der Musik.

Keine davon ist besser oder schlechter, nur sollte jeder Erzähler sich klar darüber werden, was ihm/ihr liegt, was der Geschichte entspricht, welche typisch ist in der Kultur, aus der die Geschichte oder das Märchen stammt.

Textgebunden Erzählen entspricht eher dem Spielen von klassischer Musik nach Noten. Dabei interpretiert die Künstlerin was in der Musik emotional liegt – ohne dabei die Musik zu verändern.

Freies Erzählen entspricht eher dem Jazz. Dabei kann durchaus auch ein Motiv zugrunde liegen, von dem aus man improvisiert, sich davon weg bewegt und frei macht, dann irgendwann wieder zurück kommt. Hier liegt es am Selbstverständnis des Künstlers in wie weit er sehr frei und ungebunden improvisiert – oder näher am Original bleibt.

“Die Tradition hat sehr viele Aspekte, die wir nicht alle unverändert beibehalten können. Aber wir können den Geist der Tradition bewahren. Den Geist von Musik und Tanz …”

so sagte der berühmte indische Musiker und Komponist Ravi Shankar über den Umgang mit Tradition.

Ich ergänze dieses Zitat:

“… und Geschichten. Denn Geschichten sind in allen Kulturen der Welt ein wichtiges Medium, das Traditionen weiter vermittelt, lehrt und verständlich macht.”

Das ist ein wichtiger Gedanke für mich:
“… den Geist der Geschichten bewahren …”

Blick ins Repertoire:

Wer schreibt hier:

Uschi Erlewein spielt Geschichten von weit her, die nahe gehen.
Professionelles Tourneetheater, generationsübergreifende Programme für Kinder und Erwachsene, kulturvermittelnde Erzählkunst.

Szenisch erzählte Geschichten aus und über andere Kulturen, ungewöhnliche Märchen, Mythen entführen auf eine Hör-Reise in andere Welten.